Joseph Haydn [antikvár]

Der verkannte Haydn Joseph Haydn ist unter den großen Meistern der Musik einer der unbekanntesten, sein gewahiges, kaum überschaubares Werk eines der unerschlossensten. So unbestritten und unbestreitbar sein Rang als eine der größten Schöpferpersönlichkeiten der Musikgeschichte, so gering ist die Rolle, die er im Musikleben der Gegenwart spielt, denn nur ein verschwindend geringer Teil seines Schaffens ist in diesem wirklich lebendig. Fast könnte es scheinen, als beschränke sich seine musikgeschichtliche Bedeutung auf die eines Vorläufers und Wegbereiters, als sei das Wesendiche, die Essenz seiner kompositorischen Leistung, aufgegangen und aufgehoben im Schaffen Späterer, besonders Beethovens, dem die Vollendung dessen gelungen wäre, was sich in Haydns Musik nur latent ankündigte. Ist also Haydn heute überholt und erledigt, genießbar allenfalls noch, in nostalgischer Attitüde, von einigen wenigen Kennern und Liebhabern; ist seine Bedeutung nur noch eine historische? Die Frage stellen heißt, sie verneinen. Wer sich jemals wirklich in Haydns Musik vertiefte, dem hat sich die eigentümliche Beredsamkeit dieser Kunst aufgetan, ihre tiefe Menschlichkeit, die den Hörer um so eindringlicher be-rühn, als sie sich meist in überwältigender Einfachheit darstellt: er hat die kraftvolle, herbe Schönheit erfahren, die jeden Takt dieser Musik in unverwechselbarer Weise prägt. Das Bild vom Menschen Haydn, das noch immer im Bewußtsein weiter Kreise von Musikern wie Musikliebhabern lebt, ist diesem Eindruck seiner Musik seltsam unangemessen. Da erscheint der Komponist als ein kindlich-naiver, zuweilen beinahe einfältiger, ja philiströser Mensch, unfähig, sich außerhalb der Musik in angemessener Weise zu artikulieren, als ein schalkhafter Spaßmacher, gutmütig-betulich, den man am besten zu charakterisieren glaubt, wenn man nichtige Anekdoten über ihn erzählt, und dessen menschliche Problematik - in seiner Musik durchaus ablesbar - man nicht zur Kenntnis nimmt oder, schlimmer noch - wie im Falle seiner unglückUchen Ehe - mit freundlichem Spott abtut. Alles dies fließt dann zusammen in der bequem ' ' I ' i ^'¦¦¦V'íiíí