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Erstes Kapitel
Wo die alte byzantinische Mauer die in Stein gebannten Träume von hundert Monarchen und das unabsehbare Gedränge der zahllosen türkischen Holzhäuser umgürtet, wo sie ihren zinnengekrönten Schlangenleib nach den Sieben Türmen am Meere windet, sitzen wir - im Schatten dichter Maulbeerbäume vor der Soime geborgen - gerade recht zum Erzählen. Leichter magst du, mein junger Freund, Ablauf imd Sinn meiner Geschichte erfassen, während sich vor deinen Blicken morgenländisches Leben entrollt.
Diese Landstraße führt geradewegs nach dem Goldenen Tor hinüber, tmd hier draußen am Stadttor herrscht stets rege Bewegung. Lastträger kommen imd gehen, Wasserverkäufer, verschleierte Frauen, Soldaten und Kinder. Bauern treiben ihre mit Gemüse und Obst belade-nen Esel zum Markt, Ochsengespanne, Lastkamele imd einzelne Reiter ziehen des Weges. Hin und wieder sieht man sogar Fremde, deren europäische Tracht in dieser morgenländischen Umgebung immer noch seltsam genug anmutet, wenngleich man Kleider von westlichem Schnitt jetzt auch in den türkischen Vierteln von Jahr zu Jahr häufiger erblickt.
Vor uns atmet also die Pforte des Ostens im Dtmste des Spätsommermorgens, Stambul, die Stätte von tausendmal tausend Menschen. Links schimmert das Goldene Horn - es zieht dort nach den Süßen Wassern hinüber - darüber Hegt die holde Schwermut des Bergfriedhofs von Ejub.
Mag sein, daß Allah - wie viele klagen - die Lose unter seine Kinder sehr ungleich verteilt, indem er die einen mit allen Gütern der Erde begabt und auf die Schultern der andern nur Mühsale bürdet. Aber für alle glänzen die Strahlen seiner wärmenden Soime, blaut der Himmel des Tags, flimmert durch die schwarzsamtene Nacht das Licht unzähliger Sterne, und für alle sind Land und Meer in beglückender Klarheit hingebreitet. Sieh nur nach rechts hinab, vorbei an den hohen Kuppeln
der weißen Moscheen und an ihren hundert und aber hundert zierlichen Minaretten! Blau wie Saphir, mit den Opalen zahlloser Segel bestickt, gleißt dort das Marmormeer im Golde der südlichen Sonne, und jenseits, von fern her, grüßen grünende Küsten. Mehr an strahlender Pracht hat kein menschliches Auge mit einem Blick jemals umfaßt.
Die Küste drüben ist Asien. Land hchter Wunder und düsterer Rätsel, unergründliches, unerforschliches, unendliches Land. Heißer brennt dort die Sonne, heller leuchten die Sterne und gewaltiger toben die Stürme. Wie das Land sind seine Menschen: unergründlich und un-erforschlich. Gastfrei sind sie und gefährlich, hilfsbereit und erbarmungslos, verträumt und voll aufbrausender Leidenschaft. Härteren Kampf kämpfen sie um ihr Leben, und der Tod ist ihr vertrautester Gast.
Dennoch, wer einmal in der asiatischen Welt verweilen und die Freiheit ihrer Weite ungehemmt genießen durfte, der ist ihr verfallen. Unablässig bohrend und zu Stunden leidenschafthch aufrauschend drängt die Sehnsucht den, der Asien verlassen hat, zur Heimkehr in jene unbegrenzten Räume. Aus ihnen ruft ein breiteres Leben, und hat es einer bis zum Ende gelebt, der mag zufrieden sterben.
Wie ich vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren das Morgenland zum erstenmal betrat, waren mir diese Erkenntnisse noch verschlossen. Als Flüchtling hatte ich mich bei den Türken geborgen, und ähnlich dem Mann, der mit dem Bild einer fernen Geliebten im Herzen das schönste Weib der Erde reizlos findet, war ich von den düsteren Schicksalen meines ungarischen Landes und Volkes so sehr erfüllt, daß mein Gemüt neuen Eindrücken unzugänglich bHeb.
Obgleich noch sehr jung, hatte ich während des schließlich verlorenen Krieges in der ungarischen Armee bereits den Rang eines Majors bekleidet. Später, nachdem die ungarischen Truppen vor der Überzahl der Feinde kapituliert hatten, war mir mit Hilfe eines väterlichen Freundes die Flucht nach der Türkei gelungen.
Mißtrauisch sahen die türkischen Behörden die Fremden, die damals an der Grenze allenthalben von den Bergen herabstiegen. In stolzer Haltung trugen diese Männer abgerissene Bauernkleider, doch sie blickten aus gramvollen Augen. Alle wollten mehr oder minder hohe Offiziere der ungarischen Honved gewesen sein, und gleich mir konnte manch einer von ihnen dies durch ein ungarisches Offizierspatent nachweisen, das er im Futter seines Bauernwamses eingenäht trug. Die meisten beabsichtigten, im türkischen Heer Dienste zu nehmen. Aber sie