Brecht-Dialog 1968 [antikvár]

Walter Felsenstein Zur Eröffnung des Brecht-Dialogs Es ist' mir eine groBe Éhre, Sie — in meinen Eigenschaften als Prá-sident des Zentrums Deutsche Demokratische Republik im Interna-tionalen Theaterinstitut, als Vizeprasident der Deutschen Akademie der Kiinste und auch im Namen des Berliner Ensembles — zum Be-ginn des Brecht'-Dialogs 1968 begrüBen zu dürfen. Ich tue es in aufrichtiger Freude und Herzlichkeit und danke Ihnen für Ihr zahl-reiches Erscheinen zum 70. Geburtstag von Bertolt Brecht. Denn um eine Geburtstags-Feier handelt es sich — nicht um eine Gedenk-Veranstaltung —, und so sollen die bevorstehenden sieben Tage auch verlaufen; als eine nicht nur im Umfang, sondern auch dem Inhalt nach originelle und würdige Geburtstags-Feier. Námlich Wille und Wesen dieses bedeutendsten Dichters unseres Jahrhun-derts, des politischsten Dichters deutscher Zunge überhaupt, dulden keine Beschránkung auf noch so feierliche und pietátvolle Aner-kennung seiner Hinterlassenschaft, sondern fordern seine Prasenz — sie rufen auf, ihn gegenwartig zu nutzen und mit ihm weiter zu arbeiten an der Yeranderung der Welt, deren Veranderbarkeit er nachgewiesen hat. Das Lebenswerk Bertolt Brechts will nicht als abgeschlossen gelten und kann daher nicht als abgeschlossen be-trachtet oder behandelt werden. Ich glaube, diese Erkenntnis einigt allé Teilnehmer an diesem Kollo-quium und macht sie zu einer Gemeinde von Gratulanten, die das Geburtstags-Kind mit der Erfüllung seiner Forderung beschenken. Denn so wie das als engere Familie zu betrachtende Berliner En-semble seine Aufführungen nicht als abgeschlossene Arbeits-Ergeb-nisse darbringt, sondern als lebendiges Laboratórium zur Erweite-rung dramatischer Erkenntnisse, so wird der Dialóg im breiteren Kreise erweisen, wie weit — bewuBt oder unbewuBt — die Maximén Bertolt Brechts in alle unsere theatralischen Arbeits-Gebiete und Arbeits-Methoden eingeflossen sind und standig weiterwirken. Seien wir alsó in der Durchführung dieser Woche der lebendigen Anwe-senheit Bertolt Brechts eingedenk! Ich erkláre hiermit den Brecht-Dialóg 1968 als eröffnet. u