Das unheimliche Puzzle [antikvár]

1Blicklos starrte die Tote sie mit offenem Mund an, als wollte sie schreien. Eine scheußliche rote Narbe zog sich über den linken Wangenknochen bis zum Kinn. Der Kopf lag in einer warmen klebrigen Blutlache. Sie lag da wie eine zerbrochene Puppe. Zu einem grünen Hosenanzug billigster Herkunft trug sie schäbige grüne Sandalen. Die billige Strohtasche war ihr aus der Hand gefallen. Der Einschnitt an einem ihrer Finger zeigte, daß sie vorher einen Ring getragen hatte.Bis hierher blieb sich ihr Alptraum immer gleich. Der Rest wechselte, bedeutete aber immer Flucht, Angst und Schuld. Plötzlich entstand Feuer, und sie rannte wie verrückt. Manchmal floh sie endlose Korridore entlang und suchte einen Ausgang. Oder sie hämmerte mit den Fäusten gegen Wände oder riß an geschlossenen Lifttüren, während Hitze und Flammen sie umtobten, oder sie floh über eine wackelige Feuertreppe und verbrannte sich die Finger am Metall. Sirenen und Zurufe, lärmende Motoren und Schreien auf der Straße - übertönt von fürchterlichem Angstgeschrei aus dem Innern des Hauses.Dann rannte sie mit fliegendem Atem durch einen dunklen Tunnel, weil sie sich mehr noch als vor dem Feuer vor der Angst fürchtete, die sie auf dem Gesicht der Toten gesehen hatte, mit seinem unaus-gestoßenen Schrei. Und sie rannte weiter, immer weiter durch einen dunklen, endlosen Tunnel.Völlig erschöpft erwachte sie mit hämmerndem Puls. Kurze Zeit schwebte sie zwischen Traum und Wachsein. Sie fragte sich, wo sie war. Das Zimmer war ihr fremd, alles andere als sauber, spärlich möbliert, aber ohne Gepäck hatte sie keine andere Wahl gehabt. Sie hätte einfach Gepäck haben müssen. Darum war sie wahrscheinlich gezwungen gewesen, in diesem zweifelhaften Haus Quartier zu beziehen, wo man nicht neugierig war, solange eine Nacht im voraus bezahlt war. Und hier schien ohnehin niemand länger zu bleiben.Sie konnte sich erinnern, daß sie bezahlt hatte. Das Geld hatte sie in einer Strohtasche gefunden. Zuerst hatte sie gezögert, aber das Geld mußte ihr wohl gehören.Der Traum war jetzt endgültig verflogen, und sie starrte an die rissige Decke hinauf. Welcher Tag war heute? Wo war sie? Wer war sie? Ihr Leben hatte vor etwa drei Tagen gegen Abend angefangen,5