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erstes kapitel
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Robert traute seinen Augen nicht, als er Richard auf der Tribüne erblickte. Er hatte ihn seit mehr als acht Jahren für tot gehalten.
• Seine Werkstatt lag ein beträchtliches Stück entfernt vom Versammlungsraum, und Janausch hatte hinter ihm her gebrummt: „Was eilst du dich denn? Du kommst früh genug. Der aus Berlin hat doch abgesagt. Ob du's jetzt vorgelesen bekommst oder morgen früh in der Zeitung liest -"
Die Leute schimpften, weil Robert Lbhse nun auch noch rücksichtslos, kindisch versuchte, sich durch den vollen Saal so weit wie möglich nach vorn zu zwängen. Ein geringes genügte* um sie in Wut zu bringen. Sie waren alle erschöpft und hungrig, immer noch ausgelaugt durch den Krieg. Jetzt erregten sie sich, weil sie sich andauernd über etwas Besonderes erregten, und sie spürten, daß diese Versammlung etwas Besonderes sein könnte.
Robert reckte sich, er drückte sein Kinn in die Schulter des Vordermanns, er starrte und starrte. - Es hatte keinen vernünftigen Grund mehr gegeben, beim Ende des Spanischen Kriegs an Richards Tod zu zweifeln. Durch zahllose Einzelheiten war die Nachricht immer sicherer und bitterer geworden. Sie war so sicher und so bitter wie 'der Sieg der Faschisten geworden und die Flucht über die Pyrenäen.
Damals, als sie beschlossen hatten, auf getrennten Wegen durch das bereits besetzte Gebiet zu ihren Leuten zu stoßen, war er sicher gewesen, Richard an dem vereinbarten Treffpunkt
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wiederzusehen. Falls er dort selbst lebend ankommen würde. Richard aber - als hätte das Leben gerade mit ihm ein Abkommen getroffen - brachte etwas Neues mit, wo er auftauchte, seinen unerwarteten Schwung selbst in stumpfe oder furchtsame Menschen. - Darum hatte Robert Lohse lange gedacht: Er kann nicht tot sein. Das kann nicht wahr sein. So eine Lücke kann man nicht aushalten.
Dann war das Leben, unglaublich wild, machtvoll und grausam wie ein Urwald, über der Lücke zusammengewachsen. Es hatte Robert gepackt und von einem Ort zum änderen geworfen, so daß ihm manchmal kein Atemzug übrigblieb, nicht einmal zum Trauern. Die Erinnerung an den Toten war trotzdem in jeden dichten rasenden Tag hineingedrungen; es war nicht mehr möglich und auch nicht mehr nötig gewesen, ihn in Gedanken oder in Worten herauszuheben. Nur manchmal, wenn etwas Besonderes geschah, etwas besonders Gutes oder besonders Schlechtes, wenn ihm die Menschen hier fremd erschienen, stumpf oder stur oder kalt, dann dachte er: Wäre nur einer wie Richard bei uns.
In diesen Oktobertagen - der Nebel stand über dem Fluß und drang in die Stadt ein und in die Straßen, und mit dem Nebel eine Beklemmung, eine Angst vor der Kälte und Nässe und vor dem Winter und vor dem ganzen Dasein, das ihnen kahl, verloren und freudlos vorkam -, gerade in diesen Oktobertagen hatte er Richard herbeigewünscht.
Er hatte beinah nach seinem Gesicht gesucht in den Gruppen, die sich achselzuckend, gleichgültig, spöttisch, schimpfend oder erstaunt an dem Anschlag an der Wand vorüberschoben. -
Es war still im Saal: Der Versammlungsleiter war aufgestanden. Nach seinen ersten Sätzen wurde es wieder unruhig. Den Berliner Redner, der plötzlich erkrankt sein sollte, hatten alle gespannt erwartet. Er wäre zu ihnen gefahren, weil ihr Betrieb also doch noch oder schon wieder wichtig und groß war. Es hätte sich gelohnt, mal zu hören, was er hier sagen wollte. Und es hätte sich auch gelohnt, diesem Mann mal