Bővebb ismertető
Einleitung
Von einem Besitz, beginnt man viel zu reden, wenn man seinen Verlust befürchtet. Über Europa ist im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre mehr gesprochen worden als je, und es stellt sich die Frage, ob der alte Name, der immer nur ein räumliches und ein geistiges Ungefähr bezeichnete, nicht im Begriffe steht, zerredet zu werden.
Was unseren Kontinent anbetrifft, haben wir seit mehr als hundert Jahren düstere Voraussagen aller überragenden Beurteiler gehört. Diese Warnungen werden nicht dadurch widerlegt, daß man sie kulturpessimistisch nennt. Mit solchen Wortverbindungen ist wenig getan. An der Eröffnungssitzung der UNESCO, 1946, in Paris, hat André Malraux die Summe vieler gewichtiger Feststellungen gezogen, als er erklärte, der zweite Weltkrieg und die auf diesen Krieg folgenden Ereignisse hätten die Menschen veranlaßt, ernsthaft über den Tod Europas nachzudenken.
Vom Tode bedrohte Gebilde können nicht dadurch gerettet werden, daß man immer wieder versucht, ihre vergangene Bedeutung zu definieren. Sucht man nach dem Rettenden, so kann es nur durch die Erkenntnis der Kräfte und Eigenschaften gefunden werden, die von jeher als Konstanten die Gewähr der Dauer besaßen und je und je dem Niedergang neuen Aufschwung entgegensetzten. Bei der Betrachtung des Eigenen, dem man verpflichtet ist, soll nicht der Standpunkt des stolzen oder gar des wehmütig-zurückblik-kenden Erben eingenommen werden. Entscheidend ist es, das sichere Gefühl für das schöpferische Prinzip der Gemeinschaft, der man angehört, nicht zu verlieren.
Längst ist Europa nicht mehr an den Raum seines geographischen Ursprungs gebunden. Europäisches Wesen wirkt heute in allen Kontinenten und verwandelt sie.
Zur Zeit des römischen Weltreichs gab es kein Europa mit dem Sinngehalt, der inzwischen in dieses Wort hineingelegt wurde. Länger als man gemeinhin annimmt, blieb die Erinnerung an das große Imperium lebendig. Seine juristische Einheit wurde als Postulat sogar bis zum Ende des byzantinischen Reiches erhoben. Das Gebiet, auf welches dieser Anspruch und diese Erinnerung sich bezogen, war das Trümmerfeld, das die Römerreiche zurückließen. Wann hat sich innerhalb dieses Trümmerfeldes ein Zusammengehörigkeitsgefühl kontinentalen Ausmaßes im Bewußtsein einer lebenden Generation wieder geregt? Wohl erst, als die in germanische Stammesfürstentümer und
kirchliche Diözesen aufgespaltene Erbmasse des einstigen Imperiums in ihrem eigentlichen Lebenskern bedroht war, und zwar durch die neue, unwiderstehlich im Glaubensfanatismus zusammengehaltene erobernde Macht des Islam. Als der Raum, den wir noch heute gewohnt sind, Europa zu nennen, zu einer vom Islam berannten Festung geworden war, als das Massensterben der antiken Städte und Munizipien sich längst qualvoll vollzogen hatte, als man zur primitiven Naturalwirtschaft zurückgekehrt war, setzte eine europäische gemeinsame Willensbildung unter gemeinsamer Führung der Kirche ein, und es begann jenes christliche, germanisch-lateinische Zeitalter, das man das «medium aevum» genannt hat. Jetzt entstand aus der Begegnung der Germanen mit den Lateinern und vor allem mit dem Christentum eine europäische Kultur. Das Wesentliche: diese Kultur wurde beherrscht durch einen Universalismus, der nicht mit Uniformität verwechselt werden darf. Im Jahre 800, als Karl der Große, am Weihnachtstag, in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, ist Europa katholisch getauft worden. Es ist der politische Gegensatz zwischen dem karolingischen und dem byzantinischen Reich, der die Mitwirkung des Hauptes der westlichen Christenheit, des Bischofs von Rom, unentbehrlich machte.
Schon waren die Stämme, die Sprachräume deutlich unterschieden, schon waren die spätem, agonal zueinander stehenden Nationen potentiell vorhanden. Dem mittelalterlichen Menschen aber war der Gegensatz von Christen und Heiden viel wesentlicher als derjenige von Franzosen, Italienern und Deutschen. Gegenüber der unbekannten Welt der Ungläubigen suchte man mächtige geistige Bindungen; man fand sie in der christlichen Glaubenslehre, in bestimmten Überlieferungen antiker Philosophie und im römischen Recht, das die Romanisten und Glossatoren immer wieder bearbeitet und angepaßt haben. Es entstand eine hohe, in den ernsten Formen der romanischen Baukunst ihren Ausdruck findende europäische Kultur, die in immer neuen Stilsprachen ihre innern Wandlungen bis zum Beginn des technischen Zeitalters unvergleichlich sichtbar machen sollte.
Zur Zeit Karls des Großen diente der Name Europa in der gelehrten Literatur ganz allgemein zur Bezeichnung seines Reiches.
Das deutsche Kaisertum aber, wie stark es sich auch unter den sächsischen Kaisern, insbesondere unter Otto dem Großen, an das Reich Karls des Großen anlehnen sollte, hat selbst während seiner größten