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Spiegel
Dem Feuchten, Humilen, Wässrigen. dem Ur-schlamm. aus dem alles Leben kommt, verbindet sich ursprünglich das glänzende, reizende, luxuriöse, erkenntnisfördernde Gerät des Spiegels. Von der Grotte zum Spiegelsaal führt ein gerader Weg. Es gibt primitive Sprachen, die für Wasser und Spiegel dasselbe Wort benutzen.
In die still ruhende Wasserfläche, den Spiegel der Natur, blickend, muß Narzissus sich zur Strafe in sein eigenes Bild verlieben, weil er die Liebe der Nymphe Echo verschmäht hat. Er wird in jene Blume verwandelt, die seinen Namen annimmt und die durch ihre bleiche Farbe und ihren betörenden Duft in mythische Beziehung zum Tode tritt, eine Rolle spielt im Gräberkult.
Shakespeares Richard II. läßt sich nach verlorener Schlacht seinen Spiegel bringen. Er schaut hinein und zerschlägt ihn. Denn der Spiegel lügt. Er zeigt das unverwandelte Bild des Königs; der König aber ist nicht mehr der alte; die Schlacht hat ihn verändert.
Nach dem Selbstmord seiner Freundin entdeckt Dorian Gray auf dem Porträt, das in der Fabel Oscar Wildes an Dorians Stelle lebt und altert, „grausame Züge um den Mund, so deutlich, als betrachte er sich nach einer grausamen Tat im Spiegel". Und er sticht haßerfüllt auf sein Porträt ein. um diesem Spiegelbild seiner Seele, das „die Bürde seiner Schande" trägt, nicht länger ausgesetzt zu sein. Er zerstört damit sein Ich.
In Kleists Marionettentheater verliert durch den Blick in den Spiegel ein junger Mann Grazie und Unschuld unwiederbringlich. „Von diesem Tage, gleichsam von diesem Augenblick an, ging eine unbegreifliche Veränderung mit diesem jungen Menschen vor. Er fing an, tagelang vor einem Spiegel zu stehen; und immer ein Reiz nach dem anderen verließ Ihn."
Der Kleistsche Sündenfall durch Reflexion und Bewußtsein, den erst der Durchgang durch ein „unendliches Bewußtsein" heilt. Aber „das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt."
In der Paulinischen Briefstelle, wo es heißt: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht", wirkt der lichte Reflex verdunkelnd. Hell wird es erst, die volle Wahrheit ereignet sich erst, wenn das Stückwerk der Spiegelung verschwunden ist.
Franz Werfeis „Spiegelmensch" schießt auf sein Bild im Spiegel. Doch er tötet nicht den mysteriösen Doppelgänger, sondern wird nun von
diesem in gefährlicher Selbstentzweiung beherrscht. Bis er nach langen Prüfungen in den Orden der Wissenden aufgenommen wird, die kein Spiegelbild mehr besitzen.
Die verzweifelte Bettina von Arnim findet sich im Spiegel als „einen schmerzvollen Geist, der alle irdischen Züge überwunden hatte". Sie wendet sich nicht weg, zerbricht ihn nicht, sondern küßt in ihm ihr Antlitz „so Treue schwörend meinem eigenen Wesen" und überwindet gestärkt die Depression.
Selbstprüfung gestattet und Selbsterkenntnis vermittelt nach Sokrates ein Blick in den Spiegel. Er empfiehlt ihn seinen Schülern. Denn der Leib „als Spiegel" der Seele könne ihnen Auskunft geben über die Stufe ihrer Identitäts-flndung. Am Eingang ägyptischer Heiligtümer dienten Spiegel der Selbstprüfung der Gläubigen.
Schopenhauer mißtraut in toto der Authentizität des Spiegelbildes, wenn wir starren Auges, unbewegten Blicks uns seitenverkehrt fixieren, ohne die Fähigkeit zu objektivieren, Voraussetzung jedes treffenden Eindrucks, ohne die Möglichkeit, unsere Wirkung abzuschätzen. Und doch - wie würde der Mensch sich denken, hätte er seine Erscheinung nie gesehen.
Beispiele aus Mythos und Literatur weisen auf Ambivalenz. Er ist unbestechlich wahr, durch immanente Zaubermacht orakelkräftig, er lügt. Er ist seelenlos reflektierend, besitzt magische. Geister bannende, den Menschen behexende Wirkung. Er ist ein Seelenfänger, weshalb im