Osteuropa Juni 2010 [antikvár]

Rechtsruck Die Parlamentswahlen in Ungarn 2010 Bei den Parlamentswahlen im April 2010 wurde Ungarns politische Landschaft durchgepflügt. Die Sozialisten erlitten ein Debakel, ihre Gegner vom Ungarischen Bürgerbund statteten die Wáhler mit einer Verfassungsmehrheit aus. Die Liberalen sind gescheitert, im Parlament sitzt nun eine nationalistische Partei. Der neue Ministerprásident Viktor Orbán verspricht Versöhnung. Ob sein nationales Projekt sich an alle Menschen in Ungarn richtet oder Andersdenkende ausschlieBt, muss sich noch erweisen. Bei den am 11. und 25. April abgehaltenen Wahlen zum ungarischen Parlament errang die konservative Partei Fidesz-Ungarischer Bürgerbund (Fidesz - Magyar Polgári Szövetség) einen Sieg von historischer Dimension. Mit einem Anteil von über 52 Prozent der abgegebenen Listenstimmen konnte der bislang oppositionelle Fidesz zusammen mit seinem kleinen Bündnispartner, der Christdemokratischen Volkspartei (Kereszténydemokrata Néppárt, KDNP), mehr als zwei Drittel der Parlamentssitze gewinnen.' Gleichzeitig erlitten die seit 2002 regierenden Sozialisten (MSZP, Magyar Szocialista Párt) ein schlimmes Debakel. Sie verloren fast 24 Prozentpunkte und konnten nur noch ein Fünftel der Stimmbürger hinter sich bringen. Die nationalistische Jobbik Magyarországért Mozgalom (Bewegung für ein besseres Ungarn) konnte sich nicht nur den Einzug ins Parlament sichern, sondern ist mit ihrem guten Abschneiden - jede sechste Listenstimme ging an die radikale Rechte - auch im Parlament eine vitaié und unbequeme Konkurrenz für den Fidesz. Mit der Lehet Más a Politika (LMP, Politik kann anders sein) schaffte erstmals eine ökologisch inspirierte Partei den Einzug ins Parlament. Der nicht zu Unrecht als Erdrutsch bezeichnete Erfolg des Fidesz und seiner willensstarken Führungsfigur Viktor Orbán sowie die Verschiebungen in praktisch allén Bereichen des Parteienspektrums kamen wenig überraschend. Der Verdruss über die seit 2002 regierenden Sozialisten, die zuletzt noch die „technische" Regierung Bajnai Kai Olaf Lang (1967), Dr. soz. pol., wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin Von Kai-Olaf Lang erschien zuletzt in Osteuropa: Rebellion der Ungeduldigen. Populismus in Ostmitteleuropa, in: Freiheit im Blick. 1989 und der Aufbruch in Európa [= OE, 2-3/2009], S. 333-348. - Europapolitik ohne KompaB. Polen sucht seinen Weg in der EU, in: Quo vadis, Polonia? Kritik der polnischen Vernunft [= OE, 11-12/2006], S. 81-92. - Anatomie einer Zurückhaltung: Deutschland und die Visegrád-Gruppe, in: OE, 10/2006, S. 5-14. Nachfolgend ist mit Fidesz in der Regei das Wahlbündnis aus Fidesz-MPSz und KDNP gemeint. Osteuropa, 60. Jg., 6/2010, s. 3-11