Satan ist auf Gottes Seite/Der kleine Außenseiter/Tödliche Flut/Die Potsdamerin [antikvár]

i. Kapitel Carow stand am Fenster seines Schlafzimmers und blickte hinunter auf den Swimmingpool. Er hielt eine Tassé warmer Milch in den Hánden; der Arzt der „Organisation" hatte ihm die empfohlen. Carow nahm in der letzten Zeit zu viele Darvon gegen seine Nierenschmerzen, und jede Art von Übertreibung rief in seinem Beruf sofort MiBtrauen hervor: zuviel Alkohol, zu viele Frauengeschichten, zu groBe Geldausgaben, zu viele Medikamente. Eigentlich haBte Carow warme Milch; daB er sich dennoch seit Wochen an den Rat des Arztes hielt, sagte viel über seinen Charakter aus, über die unbedingte Loyalitát, die er gegenüber der „Organisation" empfand. Er war noch in Pyjama und Morgenmantel, unentschlossen, ob er schwimmen gehen sollte oder nicht. Das Wasser des Pools war schon nicht mehr geheizt, und obwohl es in diesem Jahr einen besonders schönen und milden September gegeben hatte, waren die Náchte bereits kait. Die Wassertemperatur würde nicht mehr als fünfzehn Grad betragen. Das war unangenehm kait für einen Mann mit Nierenbeschwerden, mit leichtem Untergewicht, mit siebenundfünfzigjahren. Es war Sonnabend. Wie jeder andere in leitender Stellung innerhalb der „Organisation", so hatte auch Carow am Wochenende einen anderen Namen angenommen. Am Wochenende war er Dr. Heiner Grapentin, der gutsituierte Vizedirektor einer Versicherung. Nur der Beamte vom Bereitschaftsdienst hatte die Berechtigung, sich an Wochenenden an die andere Persönlichkeit zu wenden, die der Mann dort am Fenster ebenfalls war: Carow, Direktor der Abteilung I, Beschaffung, zustándig für die Tátigkeit von Agenten in fremden Lándern. Carow stellte die Tassé ab, ohne von der Milch getrunken zu habén.