Der letzte Tag eines Verurteilten [antikvár]

Einleitung »Der letzte Tag eines Verurteilten« ist nichts anderes als eine Schrift gegen die Todesstrafe. Der Autor schreibt nicht über einen besonderen Fall: sondern im Namen aller schuldig oder unschuldig Angeklagten tritt er vor alle Gerichtshöfe, vor alle Richter, vor alle Geschworenen der Welt. Ich kenne kein ehrenvolleres, kein edleres Ziel als dieses, die Abschaffung der Todesstrafe. Von Herzen schließe ich mich den Wünschen und Taten guter Menschen in allen Nationen an, die seit Jahren daran arbeiten, diesen auch von Revolutionen nicht entwurzelten Baum zu stürzen, den Galgen. Mit Freuden greife auch ich zur Axt, um die Kerbe zu vertiefen, die vor 66Jahren Becca-ria in das Schandgerüst geschlagen hat. Nach meiner Meinung wäre die Julirevolution 1830 berufen und auch imstande gewesen, die Todesstrafe zu beseitigen. Diese friedlichste Bewegung der neueren Zeit hätte das barbarische Strafgesetz Ludwigs XI., Richelieus und Robespierres durchstreichen und die Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens ins Recht obenan schreiben müssen. Eine Zeidang hegten wir diese Hoffnung, es lag so viel Großmut in der Luft, Milde und Menschlichkeit wogte durch die Massen, und dieser Rest scheußlichster Einrichtungen schien im August 1830 durch stillschweigende Übereinkunft einfach abgeschafft zu sein. In Freudefeuern vernichtete das Volk all die blutigen Fetzen der Vergangenheit, war nicht die Todesstrafe auch einer? Im Oktober 1830, einige Tage nach dem Vorschlag, Napoleon unter derVendöme-Säule zu begraben, gebär-