Mein Onkel Benjamin [antikvár]

Erstes Kapitel Mein Onkel wiid vorgestellt Liebei Lesei, in jener Zeit, in die ich Dich zurückführe, waren die Sitten der kleinen Stádte noch nicht mit Eleganz ge-schminkt; sie waren voll köstlichen Sichgehenlassens und von der liebenswürdigsten Einfachheit. Sorglosigkeit war der Grundzug dieses glücklichen Zeitalters. Ali diese Leute, Schiffe oder Nufischalen, überliefien sich mit ge-schlossenen Augen dem Strom des Lebens, unbekümmert, wo sie landen würden. Der Bürgersmann bittstellerte weder um Amter, noch scharrte er Geld zusammen; er lebte zu Haus in vergnüglichem Uberflufi und verzehrte sein Einkommen bis auf den letzten Heller. Die Kauf-leute, damals gab's noch nicht so viele, bereicherten sich langsam, ohne sich viel zu plagen, blofi durch den natür-lichen Lauf der Welt. Die Handwerker arbeiteten nicht, um Geld auf die hohe Kanté zu legen, sondern um ge-mütlich auszukommen. Sie alle hatten nicht jene schau-derhafte Konkurrenz auf den Fersen, die uns hetzt und ohne Unterlafi anschreit: Vorwárts! So machten sie sich's denn auch bequem; sie hatten ihre Váter verhalten, und wurden sie alt, so war's an ihren Kindern, sie zu verhalten. So ungezwungen kreuzfidel war diese Gesellschaft, dafi Advokaten und Landrichter miteinander in corpore in ein Weinbeisel gingen und coram publico drauflos zechten. Damit es ja kein Mensch übersehe, hatten sie am liebsten ihre Barette am Wirtsschild aufgehángt. Ali diese Leute, hohe wie niedere, sdiienen keinen anderen Beruf zu habén, als vergnügt zu sein. Den Kopf zerbra-chen sie sidi höchstens, um einen tollen Streich auszu-führen oder eine feine Geschichte auszuhecken. Hatte man Mutterwitz, so verschwendete man ihn in Schnur-ren, statt zu Ránken.